Die Versorgung Neugeborener
Chromosomen- Aberrationen
Stoffwechselstörungen
Erkrankungen des Respirationstrakts
Erkrankungen des Zentralnervensystems
Maligne Erkrankungen im Kindesalter
Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts
Rheumatische Erkrankungen
Virusinfektionen
Endokrinologische Erkrankungen
Immundefekte
Sonstiges
Phagozytendefekte
1. Allgemeines
Einteilung:
- Störungen der Zellzahl (Neutropenien) durch Störung der/des
- Bildung
- Ausreifung
- Überlebens
- Störungen der Zellfunktion durch Störung der
- Motilität (Chemotaxis, Ingestion)
- Mikrobenabtötung
Definition:
- Neutropenie: <1500 Neutrophile/µl
- Schwere Neutropenie: <500 Neutrophile/µl
Erreger:
- v.a. Staph. aureus
- Actinomyces, Nocardia, Serratia arcescens, Burkholderia cepacia, Mycobakterien
- Aspergillen
Klinik:
- Rezidivierende Infekte durch Bakterien und Pilze
- Otitis media, Sinusitis, Pneumonie, Stomatitis, Gingivitis, Dermatitis, Lymphadenitis, Leberabszesse, Osteomyelitis, Sepsis, etc.
Therapie:
- Infektprophylaxe: Penible Mundhygiene, kein Aufenthalt in Kellern, auf Baustellen, in Tierställen, etc.
- Antibiotische Prophylaxe mit Cotrimoxazol, evtl. zusätzlich Antimykotikum (z.B. Itraconazol)
- Kausale Therapie: evtl. G-CSF, Stammzelltransplantation
2. Primäre Neutropenien
Infantile Agranuloytose (Kostmann-Syndrom, Severe congenital neutropenia):
- Autosomal dominant oder rezessiv vererbt
- Ursächlich sind vermutlich Störungen der Ausreifung der Neutrophilen, möglicherweise bedingt durch Defekte im Elastase-Gen
- Neutrophilenzahl i.d.R. <200/µl
- Typisch sind schwer verlaufende bakterielle Infektionen
- Therapie: G-CSF (Nebenwirkungen: Kopf- und Knochenschmerzen, Osteoporose, Knochenmarkfibrose, myelodysplastisches Syndrom, Leukämien, Exantheme, Splenomegalie
- Komplikationen: Myeloische Leukämien
Zyklische Neutropenien:
- Meist sporadisch auftretend, sonst autosomal dominant vererbt
- Zyklen von 19-21 (14-30) Tagen mit maximal 10 Tage anhaltenden Neutropenien
- Ursächlich sind Defekte der Hämatopoese
- Diagnose: Bestimmung der Granulozytenzahl 2x/Woche über 6-8 Wochen
- Therapie: Infektprophylaxe, evtl. antibiotische Prophylaxe, evtl. G-CSF
Shwachman-(Diamond)-Syndrom:
- Autosomal rezessiv vererbt
- Zyklische und persistierende Neutropenie mit gestörter Chemotaxis, Anämie, Thrombopenie
- Weitere Symptome: Exokrine Pankreasinsuffizienz, Skelettveränderungen (metaphysäre Dysplasien), Minderwuchs, mentale Retardierung
- Therapie: Symptomatisch
Autoimmunneutrozytopenien:
- Erkrankung des Säuglings- und Kleinkindalters
- Inzidenz 1 pro 100 000 Kinder / Jahr
- Bedingt durch Autoantikörper gegen oberflächenspezifische Neutrophilenantigene (z.B. NA1)
- Der Verauf ist i.d.R. mild, fast immer kommt es nach 6-54 Monaten zur spontanen Remission
- Therapie: Meist symptomatisch, selten antibiotische Dauerprophylaxe oder G-CSF
3. Sekundäre Neutropenien
Sekundäre Autoimmunneutrozytopenien:
Isoimmunneutrozytopenie des Neugeborenen:
- Mütterliche Ak-Bildung gegen fetale Granulozyten, analog der Blutgruppeninkompatibilität
- Dauert circa 6 Wochen an
- Kann zu Omphalitis, Pneumonien, Sepsis, Meningitis etc. führen
- Therapie: Antibiotische Therapie, G-CSF
Medikamenteninduzierte Neutrozytopenien
- Verursacht z.B. durch Phenylbutazon, Amidopyrin, Thyreostatika, semisynthetische Penicilline, Sulfonamide, Phenothiazine, Chloramphenicol
- Es liegen unterschiedliche pathogenetische Mechanismen zugrunde
- z.B. allergische Agranulozytose: zunächst Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie, leichte Hypotension. Danach Ulzera der Mund- und Rachenschleimhaut, Tonsillitiden, Pharynxabszesse, Septikämien. Nach Absetzen des Medikamentes Normalisierung der Myelopoese innerhalb von 2-4 Wochen
Infektbedingte Neutrozytopenien:
- Treten im Rahmen von viralen bakteriellen und protozoenbedingten Infektionen auf
Sonstige Neutrozytopenien:
- Hyperspleniesyndrom
- Maligne Prozesse
- Vitamin B12 Mangel, Folsäuremangel
4. Phagozytenfunktionsdefekte
Leukozytenadhäsionsdefekt Typ I (LADI):
- Autosomal rezessiv vererbt
- Klinik: Verzögerter Nabelschnurabfall, Omphalitis, nekrotisierende bakterielle und Pilzinfektionen, Hepatosplenomegalie, Gedeihstörung
- Synthesedefekt von CD18 mit dessen Hilfe die drei Adhäsionsproteine CD11a, CD11b und CD11c in der Leukozytenmembran verankert sind. Die Anheftung der Leukozyten an Endothelzellen und das Verlassen der Blutgefäße ist dadurch gestört. Betrifft Phagozyten, CD8+-Zellen, NK-Zellen.
- Im Blutbild zeigt sich eine massive Leukozytose
- Therapie: Stammzelltransplantation
Leukozytenadhäsionsdefekt Typ II (LADII):
- Ein Defekt des Fucosestoffwechsels führt zu Störungen des "rolling" der Granulozyten am Endothel und zu einer gestörten Chemotaxis
- Gehtebenfalls mit einer extremen Leukozytose einher
- Klinik: Milder verlaufende Infekionen als beim LAD Typ I, Mikrozephalie, mentale Retardierung
- Therapie: konservativ
IgG2-Rezeptordefekt:
- Störung der Phagozytose von IgG2-opsonisierten Bakterien durch Mutation im Fc gamma-Rezeptor IIa (CD32)
- Klinik: Rezidivierende eitrige Atemwegsinfekte
Septische Granulomatose (Chronic granulomatous diseases, CGD):
- Häufigkeit 1:100 000-1:300 000
- 2/3 der Fälle sind X-chromosomal rezessiv vererbt, 1/3 autosomal rezessiv
- Defekte Mikrobizidie aller Phagozyten (Granulo- und Monozyten). Ein Defekt der NADPH-Oxidase in der Phagozytenmembran führt zur Unfähigkeit toxische Sauerstoffmetabliten zu bilden und dadurch phagozytierte Mikroorgansimen abzutöten
- Klinik: Rezidivierende abszendierende und granulomatöse Infektionen: Furunkel, Abszesse, Pneumonien, Lymphadenitiden, Pyodermien. Eine Fistelbildung ist relativ häufig
- Häufigste Erreger sind Staph. aureus, E. coli, Serratia und Proteus
- Diagnose: Fehlende Nitroblautetrazoliumreduktion, quantitative Bestimmung der H2O2-Produktion im Dihydrorhodamin-Test, Molekulargenetik
- Therapie: Antibiotische Therapie von akuten Infekten mit intrazellulär wirksamen Antibiotika (Cotrimoxazol, Chloramphenicol, Rifampicin, Amphotericin B), chirurgische Abszesseröffnung, antibiotische Dauerprophylaxe mit Cotrimoxazol und Itraconazol, rekombinantes Interferon-gamma, Granulozytentransfusionen, Stammzelltransplantation
Leukozyten- mykobakterizidiedefekte (Interferon-gamma Rezeptordefekte):
- Autosomal rezessiv oder dominant vererbt
- Selektive Infektanfälligkeit auf (atypische) Mykobakterien (z.B. nach BCG-Impfung), Salmonellen und Listerien
- Fehlende Aktivierbarkeit von Makrophagen durch Interferon-gamma durch Defekt im Interferon-gamma Rezeptor oder im Signaltransduktionsprotein STAT1
- Diagnose: Funktionelle Untersuchung mittels ELISA, Durchflußzytometrie, Molekulargenetik
- DD: IL12/IL12-Rezeptor Defekte (Ansprechen auf Interferon-gamma Substitution)
- Therapie: Antibiotische Therapie, Stammzelltransplantation, bei partieller Ausprägung rekombinanes Interferon-gamma